Aufällig

Wer stuft Kinder als „psychisch auffällig“ ein? VOR Corona soll jedes fünfte Kind gewesen sein, nun soll angeblich jedes dritte „auffällig“ sein. Als Mutter von zwei Kindern (7 und 9 Jahre) bin ich über solche Aussagen entsetzt!

Eins möchte ich vorwegschicken: Es ist eine ENTSCHEIDUNG, Kinder zu bekommen und sie durch ihre Kindheit und Jugend zu begleiten. Diese Entscheidung impliziert persönliche Einschränkungen. Und: Die Erziehung von Kindern ist eine Aufgabe – eine Aufgabe, die nicht immer einfach ist.

Ich erlebe täglich viele Kinder, deren Eltern beide arbeiten. Nicht, weil das Gehalt eines Elternteils nicht ausreichen würde, sondern weil beide ein Studium absolviert haben und sich auf der Basis dessen beruflich verwirklichen möchten. Das bringt natürlich Stress mit sich. Ich sehe oft, wie gehetzte Mütter ihre Kinder morgens zur Schule schicken oder bringen. Sie fahren weiter zur Arbeit, und am späten Nachmittag nehmen sie ihre Kinder wieder in Empfang, meist um sie zu weiteren Terminen zu bringen.

auffällig

Wird man auffällig, wenn das Leben Spaß mach?

Ist es nicht der Sinn des Lebens, dieses auch zu genießen? Ich beobachte, dass diese Kinder jener Familien bei der Abholung erschöpft und müde sind, und meistens haben sie dann noch Schulaufgaben zu erledigen. Kein Wunder, denn manche Kinder sind am Tag länger in der Kita, Schule und Betreuung als ein Arbeitstag dauert.

Wer wird hier noch gleich als psychisch auffällig abgestempelt? Ist es verwunderlich, dass diese Kinder nach dem dauerhaften Stress scheinbar „in ein Loch“ fallen, zusammenbrechen oder apathisch wirken, wenn sie plötzlich wegen Corona nur noch zuhause sind? Weil freie Zeit und „Zeit für sich“ für sie völlig ungewohnt ist – aber doch eigentlich „normal“? Es wird von ihnen „erwartet“, dass sie sich von jetzt auf gleich umstellen und der aktuellen Situation anpassen. Schulkinder sollen konzentriert und strukturiert ihre Aufgaben erledigen, Kitakinder für sich spielen.

Was wird da eigentlich von den Kindern verlangt? Das bekommen Erwachsene doch auch nicht hin.

Gönnt bitte den Kindern Zeit für Ruhe und Selbstfindung

Durch Corona arbeiten viele Eltern zuhause. Tag für Tag hängen alle dicht aufeinander. Viele Termine fallen weg, soziale Kontakte außerhalb der Familie fehlen. Die ungewohnte Situation weckt unterschiedlichste Emotionen. Aber: Ist das nicht ein natürlicher Prozess und eine normale Entwicklung in einer noch nie gewesenen Situation? Müssen wir uns da nicht alle neu erkennen und vor allem zusammenhalten? Mehr noch: Wird der natürliche Prozess nicht unterbrochen oder gar gestört, indem jemand als „psychisch auffällig“ bezeichnet wird? Statt Hilfestellungen zu bekommen, werden Kinder in den Medien von Lobbyisten zu „Auffälligen“ gemacht! Das macht mich wütend und in mir wächst das Verlangen nach Gerechtigkeit. Niemand hat das Recht, so mit unseren Kindern umzugehen. Und niemand hat das Recht die Zukunft von Kindern zu zerstören, indem sie als „nicht normal“ abgestempelt werden.

In dem neuen Alltag haben wir Erwachsenen eine klare Aufgabe: Wir müssen mit unseren Kindern als Team agieren, damit wir gut durch die Coronazeit kommen. Die Bindungen und Beziehungen müssen eine neue Zerreisprobe bestehen. Es ist hart, aber die Eltern müssen sich neu ausrichten und neu erfahren, ob ihre Erziehung Früchte trägt – und wenn ja welche.

In Schule, Kita, Mittagsbetreuung, Ganztagsschule oder Hort sind geschulte Betreuungspersonen vor Ort zuständig. Allerdings „erziehen“ sie eine ganze Gruppe, und es gibt ganz klare Regeln, die für alle gelten. Und: Kinder untereinander „erziehen“ sich gegenseitig. In der Fremdbetreuung sind viele Kinder „angepasst“. Aber ist nicht das Zuhause auch ein Ort dafür, um dem Frust freien Lauf zu lassen, ohne dass Eltern davon genervt sind und das als „gestört“ ansehen?

Corona, Extremsituation und Erwartungshaltung

Unzählige Einschränkungen, keine Sport- und Freizeitangebote, wenig Kontakt zu anderen Menschen. Es fehlt allen der Ausgleich. Ja, das ist hart. Für ALLE! Dennoch: Nur weil Kinder sich in einer solchen Ausnahmezeit und Isolation „anders“ verhalten als es „erwartet“ wird, wenn deren Eltern schlicht mit ihren eigenen Kindern überfordert sind, deren Ängste nicht verstehen und diese nicht auffangen können, darf ihnen nicht der Stempel  “psychisch auffällig“ aufgedrückt werden. Kinder, die vermeintlich „auffällig“ sind, schreien förmlich nach Liebe, Verständnis und Aufmerksamkeit. Bedürfnisse erkennen, das kann man nicht nebenbei.

Eltern oder vielmehr Familien, die es während der Pandemie geschafft haben, trotz ihres eigenen Arbeitsalltags und der damit verbunden Sorgen das Zusammensein zuhause gut zu gestalten, werden gestärkt und als gutes Team aus dieser Zeit gehen. Eltern können sich selbst stärken, indem sie ihre eigene Kindheit reflektieren. Das funktioniert wunderbar mit Hilfe von NIKU Büchern und NIKU Apps. Bereits die Homepage bietet ausreichend Informationen, um verstehen zu können, worauf es im Leben ankommt. Werden Bedürfnisse wahrgenommen und werden wir diesen gerecht, dann müssen wir nicht die eigenen Defizite auf Kinder übertragen. Wir haben keine psychisch auffälligen Kinder, wir haben Kinder, deren emotionalen Bedürfnissen wir nicht gerecht werden. NIKU scheint mir das einzig brauchbare Konzept in dieser schwierigen Phase zu sein.